Am Samstag ging es wie immer auf einen langen Lauf, das ist ein jedes Mal das Highlight einer Trainingswoche und krönender Abschluss zugleich. Das mag jenen seltsam anmuten, bei denen sich jenseits der 14 Kilometer der hundsgemeine Schmerz einstellt, erklärt sich aber vielleicht dadurch, dass ein echtes Erlebnis beim Laufen nur dann möglich ist, wenn man mehr als 10 Kilometer läuft.
Weshalb? Nur ab einer gewissen Gesamtdistanz kommt man weit genug vom Wohnort weg und bewegt sich damit meist automatisch auf bis dato unbekannten Pfaden. Und das ist für mich eine der schönsten Dinge am Laufen: Ich erschließe mir laufend meine Umgebung, renne staunend durch die „Heimat“, bewege mich auf Pfaden, die ich in 46 Jahren noch nie betreten habe, obwohl ich unzählige Male ganz in der Nähe daran vorbeigefahren bin. Jenseits der 10 Kilometer findet echtes Entdecken statt und ich liebe das!
Auch bei diesem langen Lauf über 20 Kilometer rannte ich über Wege, von deren Existenz ich noch nichts gewusst hatte, bis ich über sie freudestrahlend, aber schwer schnaufend hinweg flog (oder kroch, je nach Perspektive). Auf einem großer Teil der Strecke bewegte ich mich auf Waldpfaden oder quer durch Wälder hindurch. Dass in den Wäldern dieser Welt all die unzähligen Mythen entstanden sind, verwundert nicht, denn der Wald ist ein besonderer Ort mit einer ganz eigenen, außergewöhnlichen Stimmung; egal zu welcher Zeit, egal bei welchem Wetter.
Da für mich diese Läufe viel mit Endecken zu tun haben, setze ich mich nach dem Training immer an den Rechner und ziehe Landkarten zu rate, um zu erfahren, wo genau ich vorhin vorbeigekommen bin. Neben dem üblichen Google Maps nehme ich sehr gerne die Schutzgebiete-Karte vom Bundesamt für Naturschutz her oder den Bayerischen Denkmal-Atlas.
Bei ersterem ist eine Flurkarte unterlegt, auf dem der meist aus dem Mittelalter stammende Name eines jeden Ackers, Hügels oder Hofes eingezeichnet ist. Wie spannend, einmal in der eigenen Umgebung zu schauen, wie der Hügel am Ortsausgang heißt, über den man schon unzählige Male fluchend gelaufen war und sich dann zu überlegen, warum er wohl so heißt, wie er heißt. Hungerberg, Galgenkegel, Judenberg, Frauenhügel … Was steckt hinter all diesen Namen? Was ist in Jahrhunderten an diesen Orten alles geschehen?
Ähnliche – für mich – spannende Fragen tauchen auf beim Nachgang meines Laufs im Denkmal-Atlas auf. Da ist jede römische Straße eingezeichnet, Positionen ehemaliger Burganlagen, vorgeschichtliche Hügelgräber … Es gibt kaum einen Quadratkilometer, an dem nicht etwas verborgen liegt oder einstmals vorhanden war, beinahe jeder Schritt führt über Geschichtsträchtiges!
So wird man als Läufer auch zum Spurensucher, wenn man nur aufmerksam genug durch die Welt rennt!