Servus, ich heiße Andreas!

Und im zarten Alter von 45 Jahren habe ich zu meiner eigenen größten Überraschung entdeckt, dass ich ein Läufer bin. Ich laufe. Ich liebe das Laufen. Ich liebe es, mich laufend durch Wald und Flur zu bewegen. Ich bekomme nicht genug davon, mich in überteuerte und unfair produzierte Funktionsklamotten zu pressen und mir erstaunlich kostspielige Hightech-Treter an die Füße zu schnallen, um weitere Kilometer zu sammeln.

Doch vom bitteren Anfang an

Nachdem ich als junger Kerl recht viel Sport getrieben hatte – Tennis, Tischtennis, Skifahren, Basketball -, begann ich als Erwachsener, mehr automatisch denn absichtsvoll, eine Karriere als Couch-Potato. Ich genoss – so meine dümmliche Ansicht – das Leben in vollen Zügen: Ich verspeiste Unmengen an kuscheligen Tieren und degradierte gesundes Gemüse zur Fleischbeilage. Ich gab den römischen Senator und trank ganze Weinkeller leer. Und als triebe mich eine unbewusste Sehnsucht zu den Toten, paffte ich über 50 Zigaretten pro Tag.

Es war im Herbst 2010, als so langsam Bewegung in mein Bewusstsein kam, dass ich mit diesem Aus-dem-Vollen-Schöpfen nicht weit kommen würde. Als Erstes änderten meine Frau Sabine und ich unsere Ernährung radikal.

Fuhr ich früher gierig mit riesenhaftem und dennoch überfülltem Einkaufswagen durch endlose, von künstlichem Neonlicht ausgeleuchtete Supermarkt-Gänge, mied ich künftig die Waren der Industrie, denn nach einiger Beschäftigung mit unserer Ernährungsweise wurde mir klar, dass die Industrie immer nur unser Bestes will, nämlich unser Geld, und uns dafür mit ungesundem und ökologisch wie sozial katastrophal produziertem Scheißdreck belohnt. Seitdem kaufe ich auf dem Wochenmarkt und achte ansonsten auf regionale und saisonale Produkte.

Im Sommer 2011 beendete wir dann gemeinsam das Zigaretten-Rauchen und ich war selbst überrascht, wie einfach mir das gelang. Schon nach wenigen Wochen kam es mir Ex-Kettenraucher vor, als hätte ich nie geraucht und ich sah fortan die wenigen übrig gebliebenen Raucher staunend an, weil ich mir gar nicht mehr vorstellen konnte, welchen Grund es überhaupt geben könnte, viel Geld auszugeben, um einer sinnfreien Beschäftigung zu frönen, die einen selbst zu Tode bringt und die Menschen des Umfelds fürchterlich nervt.

Zwar lebte ich nun deutlich gesünder, aber was noch immer fehlte, war ein rechtes Maß für die leckeren, oral einzuverleibenden Dinge und vor allem: Bewegung. Bewegung fand nicht statt. Das Resultat von zu viel Dolce vita und null Bewegung waren stolze 108 Kilogramm Gewicht, über 32 % Körperfettanteil und ein BMI von 32. Mein innerer Schweinehund war so groß, dass ich neben ihm keinen Platz mehr auf dem Sofa fand.

Der Beginn eines neuen Lebens

Die glückliche Wende kam unverhofft und im Suff. (Vielleicht war die Abwesenheit des Bewusstseins das Glück.) Anfang 2015 saß ich bei meinen Nachbarn in der Garage bei einem gemütlichen Beisammensein. Nach ein paar Flaschen Bier (zu viel) ließ ich mich von Hans, mehrfacher Marathon-Teilnehmer und regelmäßiger Läufer, und seiner Frau Claudia, die auch schon an vielen Laufveranstaltungen teilgenommen hatte, dazu überreden, beim kommenden Einstein-Marathon in Ulm am 5k-Gesundheitslauf teilzunehmen. Fünf Kilometer erschienen mir auch im Suff als eine lösbare Aufgabe.

Kaum wieder nüchtern wurde die Distanz von Hans und Claudia lachend auf den 10k-Wettbewerb erhöht, denn fünf Kilometer würden sich ja kaum rentieren, es müssten schon zehn sein. Lumpen lassen wollte ich mich nicht, dann also zehn! Noch hatte ich keine Ahnung, wie ich überhaupt jemals joggend mehr als 1000 Meter weit kommen sollte. Die wenigen Male in meinem Leben, in denen ich es mit Laufen versucht hatte, endeten desaströs und voll Frust, mit Seitenstechen und schmerzvollem Ziehen in der vorderen Schienbeinmuskulatur. Weit schwerer wiegten allerdings die Erinnerungen an traumatische Waldläufe und erniedrigende 1500-Meter-Läufe während des Sportunterrichts.

Den entscheidenden Ansporn brachte mir die US-Fernsehserie House of Cards bzw. die darin mit einer Grazie und wunderbaren Ästhetik joggenden Politikergattin Claire Underwood, gespielt von Robin Wright. Das sah so toll aus, so gesund, das wollte ich auch! Und mit dem Bild der leicht wie eine Gazelle einher trabenden Claire begann meine eigene „Läuferkarriere“ Ende April 2015.

Aller Anfang ist sauschwer

Zu Anfang wollte sich bei mir aber in keinster Weise die Grazie der attraktiven Blonden einstellen. Es fühlte sich eher an wie verdurstender Elefant auf dem Weg zum nächsten Wasserloch. Meine ersten „Läufe“ waren mühselige Versuche der trabenden Fortbewegung, immer wieder unterbrochen von Gehphasen, begleitet von rasselndem Schnauben.

Aber im Gegensatz zu früher blieb ich am Ball, biss die Zähne zusammen und mit jedem Lauf wurde es besser. Jeder Kilometer mehr, den ich hinter mich brachte, erhöhte meine Ausdauer und macht das Absolvieren des nächsten Trainings wieder etwas leichter. Ich gewann Freude daran, stellte staunend fest, wie mir das Lauftraining in freier Natur einen Ausgleich verschaffte, mir half, den Kopf freizubekommen und mit jedem Lauf fühlte ich mich insgesamt besser.

Parallel stellte ich meine Ernährung um, und da ich verstanden hatte, dass man mehr Kalorien verbrennen muss, als man zu sich nimmt, wenn man abnehmen will, begann ich mit dem Kalorienzählen. Keine wirklich schöne Freizeitbetätigung, aber Dank schicker Pulsuhr und noch schickerer Smartphone-App machte sogar das Spaß, zumal sich sehr schnell auch Erfolge beim wöchentlichen Wiegen ergaben: Die Pfunde purzelten.

Bereits im Sommer hatte ich zehn Kilo verloren und meine durchschnittliche Pace um gut 2 Minuten verringert. Ich fühlte mich gut, ich hatte Spaß bei dem, was ich tat. Den Schweinehund hatte ich in den ersten Wochen irgendwo auf einer Trainingsstrecke ausgesetzt und allein hat er den Weg nicht mehr nach Hause gefunden. Er sitzt jetzt neben jemand anderem auf dem Sofa. Die den Nachbarn Hans & Claudia zugesagten zehn Kilometer beim Einstein-Lauf in Ulm erreichte ich bereits ohne größere Schwierigkeiten und ich war bester Dinge.
Als aber Claudia erfuhr, dass ich die anvisierte Distanz bereits relativ problemlos bewältigte, meinte sie mit trockenstem Humor, dass der 10k-Lauf dann ja wohl keine Herausforderung mehr sei und Herausforderungen bräuchte man im Leben wie das Salz in der Suppe, ich müsse jetzt den Halbmarathon laufen!

Von der Sofakartoffel zum Marathoni

Über 21 Kilometer zu laufen, das war für mich anfangs nicht vorstellbar. Das war das Doppelte der Strecke, die ich bis dato geschafft hatte. Aber kneifen gilt nicht, man will sich ja keine Blöße geben, schon gar nicht als Vertreter des Geschlechts mit dem Zuviel an Testosteron. Und so startete ich tatsächlich Ende September 2015, nach nur fünf Monaten Läufersein, beim Halbmarathon des Einstein-Laufs in Ulm und kam Dank klassischem Anfängerfehler – nie zu schnell loslaufen! – völlig kaputt aber glücklich in etwas mehr als 2 Stunden ins Ziel am Ulmer Münster.

Ich hatte Blut geleckt, das war noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Was wenige Monate zuvor als blöde Wette in Nachbars Garage unter Alkoholeinfluss begonnen hatte, entwickelte sich zu einer Passion. Ich war nicht länger ein träger, adipöser Komfortzonenverharrer, sondern erkannte im Laufen für mich eine Leidenschaft, die weit über eine rein sportliche Betätigung hinausgeht.

Durch das Laufen bleibe ich gesund und fit. Das Laufen hilft mir, mich zu entspannen und Stress abzubauen. Ich bewege mich durch die Natur und entdecke Ecken meiner „Heimat“, die ich in vier Jahrzehnten noch nie gesehen habe. Ich lerne in Wettkämpfen, mich zu motivieren und nicht aufzugeben und kann das ebenso in meinem Beruf anwenden. Kurz: Durch das Laufen werde ich zu einem Menschen, der weit eher dem entspricht, der ich sein möchte, als der „Mollige“ und Bequeme, der ich noch vor wenigen Monaten war; der beim Schuhe binden Schnappatmung bekam, beim in der Dusche an sich Hinabsehen nicht hätte sagen können, ob er Männlein oder Weiblein ist, wäre da nicht die ausgedehnte Körperbehaarung, und der keine guten Aussichten für ein hohes Alter bei guter Gesundheit hatte.

Und dann wartete fast genau ein Jahr nach meinem ersten, mühsamen Lauf auch schon der erste Marathon meines Lebens auf mich: am Forum Romanum mit dem Kolosseum im Rücken beim Maratona di Roma . Nach knapp viereinhalb Stunden schlurfte ich erschöpft aber überglücklich ins Ziel.

UPDATE September 2016: Das ist nun aber auch schon wieder fünf Monate her und inzwischen habe ich Marathon Nr. 2 abgeschlossen: beim 12. Einstein-Marathon in meiner Heimatstadt Ulm konnte ich meine Rom-Marathonzeit noch einmal um 15 Minuten unterbieten.

Mittlerweile habe ich seit meinem ersten Lauf Ende April 2015 ganze 30 Kilogramm abgenommen, meinen Körperfettanteil auf 13 % mehr als halbiert und komme mit einem normalen BMI von 23 daher.

UPDATE November 2017: Wieder ist ein Läuferjahr vergangen, in dem viel passiert ist: Stressfraktur und dreimonatige Zwangspause, mein erster Ultra über 68 Kilometer, der erste Traillauf lehrte mich die Strapazen der Höhenmeter, weshalb ich prompt darauf einen 54-Kilometer-Berglauf anvisierte – und nach 46 Kilometern kläglich und dennoch fröhlich scheiterte.

Herrlich befreiend, wenn das Ego auch mal einen Dämpfer bekommt … Vorerst verlege ich mich auf das pure Laufen à la Forrest Gump, Ziele sollen sich andere stecken …

Update 2020

Seit dem letzten Beitrag auf MENSCHLÄUFT sind über zwei Jahre vergangen und wären nicht meine beiden Laufkollegen Guido & Arno Drescher, mit denen ich nicht nur viele Kilometer heruntergerissen habe, sondern die mich immer wieder einmal ermutigten, die Arbeit an diesen Seiten wieder aufzunehmen – ich hätte die Arbeit an diesem Projekt wohl nicht wieder aufgenommen.

Die letzten beiden Laufjahre waren ein extremes Auf und Ab. Immer wieder wurden meine Laufambitionen von teilweise lang anhaltenden Beschwerden torpediert und ich erlebte frustrierende Zwangspausen, die jede_r Läufer_in erlebt, deshalb hier kein mimimi.

Im Januar 2018 war ich mit meiner Frau beim Sportmediziner für den jährlichen Gesundheitscheck, der gewohnt positiv ausgefallen ist, seit ich mit dem Laufen 2015 begonnen hatte. Im Anschluss startete ich einen langen Lauf von der Arbeitsstelle meiner Frau nach Hause – eine Strecke von ca. 24 Kilometern und für mich nicht wirklich eine Herausforderung.
Da es Winter war und etwas Schnee lag, war ich mit Trailschuhen von Asics unterwegs, den Gel-Fujitrabuco 5 GTX. Dessen hohe Sprengung und der teilweise schlecht zu begehende Untergrund durch das große Waldgebiet zwischen Laupheim und meinem Heimatort führten zu einer Entzündung der Achillessehne.
Und die sollte mich über ein Jahr lang nicht mehr in Frieden laufen lassen!

Bereits im Februar 2018 sank meine monatliche Laufleistung auf die Hälfte und mit nicht einmal 50 Monatskilometern rutschte meine Monatsleistung unter das Niveau, das ich in meiner guten Zeit 2016 noch wöchentlich gelaufen war.

Und in den Folgemonaten wurde es nicht besser. Immer wieder musste ich schmerzbedingt Laufpausen einlegen. Am Ende des Jahres hatte ich mit gerade einmal 730 Kilometern das schlechteste Ergebnis meiner „Laufkarriere“ eingefahren. Selbst in meinem Startjahr 2015, in dem ich erst ab Mai wirklich mit dem Laufen begonnen hatte, hatte ich 200 Kilometer mehr erreicht.
Wenn man weiß, wie wichtig das Laufen für mich geworden war, kann man in etwa nachempfinden, wie ich gelitten habe.

Ich ging zur Behandlung und ließ mir schmerzhafte Spritzen in die Ferse jagen. Ich arbeitete beflissentlich mit der Black Roll, ich nutzte über Monate ein TENS-Reizstromgerät und lies meine Muskeln und Sehnen allabendlich zucken. Ich stellte – mal wieder! – meine Lauftechnik um und dachte, das Barfußlaufen wäre doch die Lösung all meiner Probleme … und alles half nichts, die Probleme mit der Achillessehne blieben.

Inzwischen war 2019 und noch immer hinderte mich die Reizung in der Ferse, so zu laufen, wie ich es wollte. Jedes Mal, wenn ich mich vorsichtig an die Wiederaufnahme eines regelmäßigen Lauftrainings herantastete, wurde ich bestraft, sobald ich zu weit oder zu schnell lief. Der Schmerz war wieder da: Ein Gefühl, als würde jemand mit einer Nadel in die Ferse stechen.

Aber Aufgeben konnte ich nicht, dazu war das Laufen viel zu wichtig für mich und mein Seelenheil. Also recherchierte ich weiter über mögliche Lösungen für mein Problem. Irgendwann im Sommer 2019 „hörte“ ich von mehreren Läufern, die ähnliche langwierige Beschwerdegeschichten hinter sich hatten, dass diese alle durch Schuhe mit hoher Sprengung (Höhendifferenz zwischen Vorfuß und Ferse) entstanden waren und entsprechend verschwanden, als die Laufkollegen auf Schuhe mit niedriger Sprengung umgestellt hatten.

Das leuchtete mir ein: Als Asics-Fan war ich fast ausschließlich Schuhe mit hoher Sprengung von im Schnitt 10 Millimetern gelaufen. Dadurch bestand eine unnatürliche Hochstellung meiner Ferse und ein entsprechender Zug auf meine Achillessehne und infolgedessen die Reizung derselben.
Das ist kein allgemeines Problem aller Läufer_innen, viele kommen mit hohen Sprengungen der Schuhe gut klar. Mein Fuß eben nicht, der machte aua.

Ich wechselte also mein Schuharsenal, verbannte alle Schuhe mit hoher Sprengung und schaffte mir neutrale Schuhe an und konnte in der Folge feststellen, wie sich meine Sehne in der Ferse zunehmend beruhigte. Am wenigsten Beschwerden hatte ich mit Schuhen mit geringer Sprengung und gleichzeitig hoher Dämpfung. So entdeckte ich den Hersteller Hoka One One für mich.

Und im November 2019 erreichte ich mit 170 Monatskilometern wieder eine Laufleistung, die beinahe an meine Hochphase 2016 heranreichte und mich zufrieden und glücklich machte.

Ausblick

Die langanhaltenden Probleme mit Stressfraktur in 2017, Achillessehnenreizung in 2018 und dem mühsamen Wiederfinden einer stabilen Fitness in 2019 haben zu vielen Änderungen in meinem Läuferleben geführt.

  • Ich habe mein Projekt MENSCHLÄUFT komplett sein lassen und bin mir heute (20. Februar 2020) noch nicht wirklich sicher, ob ich es wieder aufnehmen soll.
  • Ich habe durch die vielen Zwangspausen gepaart mit Frustfressen deutlich an Gewicht zugelegt und wiege aktuell mit 95 Kilogramm locker 15 Kilo mehr, als zu meinen Bestzeiten in 2016.
  • Ich habe keinerlei Ambitionen mehr in Sachen Laufwettbewerbe oder Laufveranstaltungen. Ich bin schlicht über jeden Lauf dankbar, den ich beschwerdefrei absolvieren darf und genieße jede Minute auf der Laufstrecke.
    Vielleicht – oder ganz bestimmt sogar – war es insgesamt einfach zu viel, was ich meinem Körper nach nur wenigen Monaten Lauftraining zugemutet hatte und die ganzen Verletzungen waren zwangsläufig.

Im Moment zählt nur der Forrest-Gump-Flow … einfach nur laufen.

Laufleistungen über die Jahre

[Stand: 20.02.2020]

Bisherige Bestleistungen

1 km

3:51,7
(+20 sec)
33. Herrlinger Lautertallauf am 11.06.2016

5 km

22:47
(+86 sec)
33. Herrlinger Lautertallauf am 11.06.2016

10 km

46:59
(+3:58 min)
33. Herrlinger Lautertallauf am 11.06.2016

Halbmarathon

1:47:04
(+10:27 min)
33. Herrlinger Lautertallauf am 11.06.2016

Marathon

4:16:37
(+14:38 min)
12. Einstein-Marathon Rom am 25.09.2016

Ø-Pace

4:39
(+16 sec)
24. Altstadtlauf Weißenhorn am 16.10.2016

weitester Lauf

68,3 km
(+ 25,7 km)
Deutschlandlauf, 16. Etappe am 31.07.2017

längster Lauf

9:36:19
(+ 5:05:04)
Deutschlandlauf, 16. Etappe am 31.07.2017

meiste Höhenmeter

1.440 m
(+660 m)
KiniTrail am 11.11.2017