In etwa 24 Stunden ist es soweit: Dann gehe ich an den Start zum zweiten Marathon meiner immer noch recht jungen Läuferkarriere. Ich begebe mich wieder auf die 42,195 Kilometer, dieses Mal bei meinem Heim-Marathon, dem 12. Einstein-Marathon in Ulm.
Doch während die Vorbereitungen zu meinem allerersten Marathon in Rom bestens verliefen und ich im April top vorbereitet war, wollte mir eine perfekte Vorbereitung auf Marathon #2 nicht wirklich gelingen:
Trotz alledem geht es in knapp 24 Stunden wieder auf die Marathon-Strecke. Und ich kann nicht sagen, dass ich mich sonderlich darauf freue.
Denn von allen oben genannten Punkten wog für mich in den letzten Wochen am Schwersten die Erkenntnis, dass mir durch all das Wettkämpfen und das gezielte Wettkampf-Training das Essentielle, das Wunderbare am Laufen fast abhanden gekommen wäre: Die pure Freude an der Bewegung, die Lust am Laufen, das sich Treibenlassen, das sich Freilaufen, das zu sich selbst Finden.
Ist man in der Wettkampfvorbereitung, bestimmt das alles: Wie man trainiert, wann man trainiert, was man trainiert. Man befindet sich in einem steten Prozess von Forderung, Kontrolle und Steigerung. Es ist diese typische getriebene Bewegung zum „Immer mehr“ und „Immer weiter“ (hier: „immer schneller“), das Menschen im Berufsleben einen Burn out erleiden lässt. Man orientiert sich nur noch an Zahlen, hechelt Marken hinterher, man wird zum Selbstüberforderer. Die Qualität einer Laufeinheit bemisst sich dann nicht mehr danach, welchen Tieren man unterwegs begegnet ist, wie sehr man sich entspannen konnte, welche lustigen Geschichten man von Podcasts am Ohr erfahren hat, durch welche hübschen Orte die Route führte oder wie sehr man das Gefühl hatte, bei sich zu sein. Sondern sie bemisst sich in Zahlen und harten Fakten: Pace, Herzfrequenz, Steigerung zur vorherigen Trainingseinheit. Und gleich der Blick auf die nächste Trainingseinheit mit der nächsten Steigerung des Trainingsplans.
Und während ich mich so durch den Trainingsplan „gehitlert“ habe, stellte ich in der Phase meiner Verletzung fest, dass ich durch das Schielen auf Zahlen und Pläne beinahe den Spaß am Laufen verloren hätte. Denn wenn ich ehrlich bin, ist das Wunderbare am Laufen für mich nicht die nächste Verbesserung meiner bisherigen Bestzeit um 30 Sekunden. Oder eine weitere Urkunde von irgendeiner unbedeutenden regionalen Laufveranstaltung an meiner Wand. Sondern der Flow, den man erleben kann, wenn man sich ganz auf das Laufen einlässt: Klamotten anziehen, Schuhe zubinden, loslaufen, für 60 bis 180 Minuten durch die Natur rennen. Und am Ende des Laufs stellt man überrascht fest, dass man eigentlich nirgendwo hingerannt, sondern einfach nur bei sich angekommen ist.
So gehe ich also morgen an den Start beim 12. Einstein-Marathon. Mit mäßiger Lust. Aber mit der Gewissheit, die Marathon-Distanz erneut zu bewältigen. Und mit der Vorfreude auf ein schlichtes Läuferdasein nach der Wettkampf-Karriere, die nie eine war.
(Foto von Fotolia, © Manuel Schönfeld)